The True Cost of Fashion
Wieso sollte man wert legen auf nachhaltig und fair produzierte Kleidung? Da du bereits einen Blog zu diesem Thema liest, kennst du wahrscheinlich viele gute Gründe. Allen anderen empfehle ich: Schaut euch den Film “The True Cost” an (Trailer, der ganze Film ist verfügbar auf Netflix oder als DVD).
Das zentrale Thema des Films von 2015 ist das Phänomen Fast Fashion. Regisseur Andrew Morgan führt als Erzähler durch den Film und beleuchtet die wahren Kosten von Mode. Meist kommen jedoch Akteure aus der Textilindustrie zu Wort: von der Näherin bis zum Ex-Monsanto-Manager. Ja, richtig gelesen: Monsanto, neuerdings im Besitz von Bayer und aktuell regelmässig mit Schlagzeilen aufgrund ihres vermutlich krebserregenden Breitbandherbizid Glyphosat, ist auch der Patenthalter von BT Cotton. BT Cotton ist eine genetisch modifizierte Art von Baumwolle, die Monsanto quasi ein Saatgutmonopol gebracht hat in verschiedenen Anbaugebieten. Die Aktivistin Vandana Shiva übt im Film deutliche Kritik an dieser Praxis und stellt einen Zusammenhang zwischen BT Cotton und der Selbstmordrate von indischen Bauern her. Dieser Zusammenhang ist jedoch keinesfalls so eindeutig, wie es im Film dargestellt wird, wie eine empirische Untersuchung zeigt (Gruèrea und Sengupta 2011). Auch von Missbildungen, Behinderungen und verschiedensten Krankheiten von Menschen in den Anbauregionen in Folge des Einsatzes von Chemikalien als Dünger oder Pestiziden wird berichtet.
Der Film springt im Verlaufe zwischen unterschiedlichen Aspekten der Textilindustrie hin und her. Die Katastrophe von Rana Plaza, bei der 2013 bei einem Fabrikeinsturz 1127 Arbeiter starben und über 2000 Menschen verletzt wurden, kommt genauso vor wie die Gründerin von People Tree, einem Label für nachhaltige Bekleidung. Von den grossen Modemarken gibt es keine Stimmen im Film. Alle Anfragen seien abgelehnt worden.
Unterschiedliche persönliche Schicksale werden vorgestellt: so zum Beispiel die Näherin Shima. Sie kam vom Land nach Dhaka, der Hauptstadt von Bangladesh. Der Film zeigt, ihr Leben in einem Slum und ihre Arbeit in einem Sweatshop. Als Gründerin und Präsidentin einer Gewerkschaft hat sie Forderungen zur Verbesserung der Arbeitssituation an das Management ihrer Fabrik eingereicht. Im Film erzählt sie von der anschliessenden Auseinandersetzung, bei der sie und ihre Mitstreiter mit Stühlen, Scheren von Angestellten der Fabrik verprügelt wurden. Ihre kleine Tochter Nadia muss sie zu Verwandten auf das Land bringt, da sie sich selbst nicht um sie kümmern kann während der Arbeit.
Immer wieder spielt der Film eindrücklich mit den visuellen Gegensätzen: Hochglanzbilder aus Werbung und von Einkaufspalästen hier, prekäre Arbeitssituationen, kranke Menschen und Schaumkronen auf verdreckten Flüssen dort. Zwei unterschiedliche Welten wie es scheint und doch geht es bei dem nur um eins: Die Kleidung, die wir tragen.
Klar wird, dass vor allem die grossen Konzerne Einfluss haben könnten auf die Produktionsbedingungen ihrer Zuliefer, allzu oft aber nur auf den Preis schauen und so die Situation noch verschlimmern. Die freiwilligen Selbstverpflichtungen und Nachhaltigkeitsberichte der Grossen würden sich zwar schön lesen, aber sobald die Politik mit Vorschlägen für verbindlichen Massnahmen kommt, laufen sie Sturm.
Der Film übt aber auch Kritik am masslosen Konsum durch uns Verbraucher: Kleidung wird oft gekauft, einfach, weil sie billig ist, und nicht, weil sie benötigt wird. Darüber hinaus wird auch eine gehörige Portion Kapitalismuskritik mitgeliefert: Der Kapitalismus sei schuld an der ganzen Misere. An dieser Stelle bin ich klar anderer Meinung als einige der Protagonisten aus dem Film: Ich bin überzeugt, dass es möglich sein muss nachhaltige und fair hergestellte Kleidung zu produzieren, ohne gleich unser Wirtschaftssystem über den Haufen zu werfen. Ein ganzes System zu verteufeln, ohne Alternativen parat zu haben, erscheint mir etwas gar weit hergeholt und auch zu abgehoben. Das hilft niemandem.
Im Film werden an einigen Stellen Aussagen einfach so stehen gelassen, die meiner Meinung nach etwas differenzierter betrachtet werden müssten. Dennoch schafft er es eindrücklich die unterschiedlichen Probleme, die mit der Produktion von Kleidung verbunden sind, zu verdeutlichen. Und so ist für mich die zentrale Botschaft dieses Filmes auch so relevant wie richtig: Kleidung wird von Menschen wie dir und mir gemacht. Wir als Konsumenten sollten Einfluss darauf nehmen unter welchen Bedingungen andere Menschen für uns diese Kleidung anfertigen und wie stark wir die Umwelt damit belasten wollen.
Quelle
Guillaume Gruèrea, Debdatta Sengupta: Bt Cotton and Farmer Suicides in India: An Evidence-based Assessment. In: Journal of Development Studies. 47, 2011, S. 316–337
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