Baumwolle vs. Tencel: Wieso Bio-Baumwolle nicht die Lösung ist
Baumwolle ist die am häufigsten eingesetzte Naturfaser für Kleidung. Da sie jedoch wegen ihrer schlechten Umweltbilanz oft in der Kritik steht, werben mehr und mehr sogar die grossen Fast-Fashion-Anbieter mit Kleidung aus Bio-Baumwolle. Doch ist das wirklich eine gute Alternative? Es ist Zeit, sich die Baumwolle und mögliche Alternativen wie Tencel etwas genauer anzuschauen und zu vergleichen.

Die vier Probleme der (Bio-)Baumwolle
Der Rohstoff Baumwolle hat ein paar Tücken. Vier Punkte stehen bei der Produktion der Naturfaser besonders in der Kritik:
Wasserverbrauch
Der Baumwollanbau benötigt viel Wasser: Am besten lässt sich Baumwolle in warmen und trockenen Gegenden, wie zum Beispiel in Afrika, kultivieren. Trotzdem sind Baumwollpflanzen sehr durstig und müssen daher meist künstlich bewässert werden. Für die Produktion eines durchschnittlichen T-Shirts aus Baumwolle braucht es über 2000 Liter Wasser.
Pestizide und Dünger
Herkömmliche Baumwolle wird in Mono-Kulturen angebaut. Dadurch gibt es einen erhöhten Bedarf an Dünger und Pestiziden. Dies ist schlecht für die Bodenqualität, die Tier- und Pflanzenwelt und auch für die Menschen in den Anbaugebieten.
Landverbrauch
Zudem stellt Baumwolle ähnliche Anforderungen an die Anbauflächen wie Ackerbau. Baumwolle steht daher oft in Konkurrenz mit dem Anbau von Lebensmitteln – und das vielmals in Regionen der Welt, in denen Nahrung sowieso schon knapp ist.
Transportwege
Aufgrund der Standortanforderungen ist kein Anbau in unseren Breitengraden möglich. Es kommen also immer noch lange Transportwege dazu.
Und bei der Bio-Baumwolle? Zunächst sprechen soziale Aspekte für Bio-Baumwolle, denn es sind überwiegend Kleinbauern, die sie kultivieren. Im Anbau von herkömmlicher Baumwolle werden primär genmodifizierte Pflanzen eingesetzt, deren Saatgut die Bauern jedes Jahr teuer nachkaufen müssen. Der Grund ist, dass die genmodifizierten Pflanzen nicht sortenrein sind. Hingegen bei Bio-Baumwolle können einfach die Samen der Pflanzen des Vorjahres als Saatgut verwendet werden.
Leider löst die Nutzung von Bio-Baumwolle statt Baumwolle aus herkömmlichem Anbau die oben genannten Probleme nicht vollumfänglich: Der Landverbrauch wird durch kleinere Anbauflächen und Fruchtfolgen zwar abgemildert. Auch dem übermässigen Einsatz von Schädlingsbekämpfern und Unkrautvernichtern wird ein Riegel vorgeschoben. Der Wasserverbrauch fällt zwar geringer aus beim Bio-Anbau, bleibt aber nach wie vor ein Manko in der Umweltbilanz der Baumwolle und die Transportwege bleiben gleich. Im Vergleich mit herkömmlicher Baumwolle schneidet die Bio-Baumwolle damit klar besser ab. Ganz überzeugen kann uns aber auch die Bio-Baumwolle so nicht.
Alternative: Cellulosefasern!
Eine Alternative stellen Cellulosefasern dar: Dabei werden Fasern mittels chemischer Prozesse aus Pflanzen wie Bäumen gelöst. Diese Pflanzenfasern bilden dann die Grundlage für Garne und Stoffe.

Cellulosefasern damals und heute
Cellulosefasern gibt es schon lange. So hatte beispielsweise Viskose, eine von mehreren Cellulosefasern, ihre erste Hochphase schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Sie wurde dann von den günstigeren Kunstfasern wie Polyester und Co. zurückgedrängt.
In puncto Umweltbilanz ist die Viskose aber auch keine Musterschülerin: Zur Herstellung werden verschiedene toxische chemikalische Substanzen eingesetzt, die nicht wiederverwendet werden können.
Dieses Problem bei der Herstellung konnte für moderne Cellulosefasern wie Lyocell gelöst werden: Hier erfolgt der chemische Prozess zur Fasergewinnung in einem nahezu geschlossenen Kreislauf mit unbedenklichen Substanzen. Das heisst, dass die eingesetzten Chemikalien zu über 99% wiederverwendet werden können und es kaum Abfall gibt.
Und was genau ist Tencel?
Lyocell ist vielen Konsument*innen wahrscheinlich geläufiger als Tencel. Dies ist der Markenname für diese Arten von Fasern des Marktführers Lenzing aus Österreich. Lyocell/Tencel wird aus Holzschnitzeln aus nachhaltiger Forstwirtschaft hergestellt. Zum Einsatz kommen dabei Hölzer von in Europa heimischen Bäumen wie Buchen oder Fichten sowie Eucalyptus. Für die Forstwirtschaft braucht es keine künstliche Bewässerung, keine Pestizide und keine Düngemittel. Zudem wächst gerade Eucalyptus auf Flächen, die für den Ackerbau ungeeignet sind.
Baumwolle im Vergleich mit Tencel
Vom Tragekomfort steht Tencel seinem Konkurrenten Baumwolle in nichts nach: Die Atmungsaktivität ist vergleichbar und die Saugfähigkeit von Tencel ist sogar besser als die von Baumwolle. Je nach Verarbeitung überzeugen Stoffe aus Tencel zudem mit ihrem fast schon seidenartigen Gefühl. Und für alle, die nicht gerne bügeln, gibt es eine weitere gute Nachricht: Tencel knittert kaum.
Wie Baumwolle sind auch Cellulosefasern komplett biologisch abbaubar. Für nachhaltige Bekleidung sind damit moderne Cellulosefasern nicht nur eine Alternative zu Bio-Baumwolle, sondern stehen im direkten Vergleich unter vielen Gesichtspunkten sogar deutlich besser dar.
Bio-Baumwolle als Green-Washing
Wenn also Modeketten mit Kleidung aus Bio-Baumwolle werben, ist das zwar besser als die Verwendung von herkömmlicher Baumwolle – aber mit Tencel und Co. gibt es heute schon weitaus nachhaltigere Lösungen. Nicht vergessen darf man ausserdem, dass die Rohstoffproduktion nur der Anfang eines langen Verarbeitungsprozess ist. Was nach dem Feld passiert, darüber wird mit “Bio-Baumwolle” keine weiteren Aussage gemacht. Somit kann auch Bio-Baumwolle nachher in der giftigsten Farbe landen. Für Klarheit sorgen hier nur unabhängige Zertifikate, wie zum Beispiel GOTS.
Stoffe wie Tencel sind die Zukunft
Die Verwendung von Bio-Baumwolle stellt sich damit als kleiner Schritt in Richtung Nachhaltigkeit heraus. Denn mit der Umstellung von herkömmlicher Baumwolle auf Bio-Baumwolle werden nur sehr wenige der Umweltprobleme der Modeindustrie gelöst. Mit der Verwendung von Lyocell-Stoffen jedoch, kommt man einer nachhaltigeren Fashion-Branche tatsächlich ein gutes Stück näher.
Es ist gut, wenn man die Nachhaltigkeit hinterfragt, gerade auch bei Fashion. Und alle Fasern, würde ich einmal behaupten, haben einen negativen Aspekt und auch positive.
Dieser Vergleich hier ist aber doch etwas einseitig. Wie viel Anteil an Tencil hat Eucalyptus? https://www.regenwald.org/petitionen/1098/stoppt-eukalyptus-plantagen. Ich weiss, es gibt auch nachhaltigen Eucalyptus-Anbau. Wie sieht es da mit den Transportwegen aus? Wie sieht es da mit dem Wasser- und Landverbrauch aus? Dieser ist riesig. Hat Tencil nach der Fasergewinnung nicht dieselben weitern Verarbeitungsschritte vor sich wie Bio-Baumwolle? Heisst Tencil, dass alle weiteren Schritte nachhaltig sind? Wenn Bio-Baumwolle in extensiver Landwirtschaft von Kleinbauern in Afrika oder Indien in Regenbewässerung angebaut wird, wo ist da das Problem? Hier gibt es ähnliche Argumente wie bei Eucalyptus.
Lieber Tobias,
du gehst auf wichtige Punkte ein. Natürlich ist bei Tencel wie bei Baumwolle sehr entscheidend, was in der weiteren Verarbeitung mit den Rohstoffen passiert. Wenn aber gerade die grossen Modeketten mit der Vermarktung von Bio-Baumwolle werben und so Greenwashing betreiben, muss das meiner Meinung nach angesprochen werden.
Auch ist es so, dass sich Artikel aus Tencel eher bei Marken finden, die Wert auf Nachhaltigkeit legen. Entscheidend ist bei allen Rohstoffen, wie sie angebaut werden und welche Eingriffe in die Natur dadurch vorgenommen werden. Tencel ist eben auch in Europa anbaubar, weil verschiedene Hölzer genutzt werden können. Dadurch verringert sich das von dir angesprochene Problem der Transportwege und bei nachhaltiger Forstwirtschaft (unabhängig vom Ort) auch das Wasserproblem. Lenzing, der Produzent von Tencel verwendet nach eigenen Angaben zu 99% Holz aus FSC- und PEFC-zertifizierte Forstwirtschaft (siehe https://www.lenzing.com/de/nachhaltigkeit/ressourcen/holz-und-faserzellstoff).
Letztendlich können hier wie geschrieben nur unabhängige Zertifikate dem Konsumenten Sicherheit geben, wirklich ein so nachhaltig wie mögliches Produkt zu kaufen. Und ja, kein Konsum ist immer nachhaltiger als Konsum.
Schöne Grüsse,
Bianca